Der magische Moment – wie Sie das Aufschieben verlernen

Es ist Zufall, dass ich zu Jahresbeginn darüber schreibe, wie Sie “in die Gänge kommen”. Ich halte nämlich nichts von Neujahresvorsätzen. Oder zumindest nicht viel. Wer etwas vorhat, wer etwas erreichen oder verändern möchte, der sollte zu jeder Zeit beginnen. Ein fixer Startpunkt als Signal ist in Ordnung, aber bis zum 1.1. warten ist oft vergeudete Zeit. Vor allem, wenn es vielleicht gerade mal Februar ist.

Worüber ich heute schreibe, ist so wunderbar einfach, dass Sie es jederzeit umsetzen können. Ok, ich habe geschwindelt. Es ist auch zugleich ziemlich schwer (sonst wäre es ja kein Thema für diesen Blog). Es geht um den magischen Moment, wenn es uns plötzlich gelingt, Dinge die wir aufschieben, doch auf einmal anzupacken. Wir alle kennen diesen Moment. Er kommt oft völlig überraschend und leider viel zu selten. Dabei müssen wir gar nicht auf den Zufall warten. Wir können uns diesen Moment ganz gezielt erschaffen. Sogar jederzeit.

Aus morgen wird später wird vielleicht wird nie

Überlegen Sie mal: welche Aufgaben schieben Sie gerade immer wieder auf? Die Ablage? Das Gespräch mit der Vorgesetzten, weil Sie sich verändern wollen? Den Akquise-Anruf? Das Rückentraining? Das erste Kapitel eines Sachbuchs? Manchmal sind es nur ganz kleine Aufgaben. So klein, dass man sich wirklich fragen muss, warum man sie einfach nicht rasch erledigt. Manchmal sind es große Projekte, für die man hart arbeiten wird. Egal was es ist, wir warten auf den magischen Moment. Der Moment, in dem wir unsere Aufgabe nicht mehr endlos zergrübeln, sondern einfach loslegen. Meist verpassen wir diesen Moment, weil der Termindruck alle Freiwilligkeit zerstört, oder weil sich die Sache von selbst erledigt hat.

Jetzt gibt es aber Menschen, die das was sie sich vornehmen tun. Einfach so. Sie halten sich nicht auf mit der Frage, ob sie jetzt gerade Lust haben, ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist. Sie fangen an. Die beiden Fragen, die ich mir stelle sind:

  • was machen diese Menschen anders?
  • wie kann ich diese Fähigkeit auch erlernen?

Das unterscheidet den Macher vom Zögerer

Die zwei wichtigsten Gründe, warum wir zögern, aufschieben, einfach nicht anfangen, sind nach meiner Erfahrung:

  1. Die Furcht noch nicht genug zu können oder zu wissen
  2. Die Furcht vor einem negativen Ergebnis (z.B. einer Absage)

Alles andere sind meist Ausreden.

Macherinnen und Macher haben diese Ängst nicht, bzw. lassen sich von ihnen nicht behindern. Routinierte Macherinnen und Macher wissen aus Erfahrung, dass sie das Gefühl der Furcht oder des schlichten Unwohlseins schon viele Male überwunden haben und es deshalb auch jederzeit wiederholen können. Allein dieses Wissen reicht schon aus, um sehr schnell von der Vermeidung ins Tun zu kommen.

Die Furcht zuwenig zu wissen

Das ist die typische Falle der Perfektionisten. Was so schmeichelhaft klingt (“bei mir muss halt alles perfekt sein”) ist oft eine Ausrede, um einfach nicht anfangen zu müssen. Oft hat’s dann ein anderer gemacht, während der Perfektionist noch an der tausendsten Verbesserung tüfftelt.

Auch Macher bereiten sich gut vor. Aber sie haben auch verstanden, dass es während des Prozesses ohnehin noch eine ganze Menge zu lernen gibt. Auf vieles davon wird man erst stoßen, wenn man im Tun schon ein Stück weitergekommen ist.

Die Furcht vor einem Mißerfolg

Zunächst sollte man sich fragen, was genau denn im speziellen Fall ein Mißerfolg ist. Ich für mich habe z.B. entschieden, dass der größte Mißerfolg ist, es nicht zu versuchen. Denn was auch immer das Ergebnis sein wird, ich werde irgendwie profitieren. Nicht so wie gewünscht. Ich muss vielleicht etwas danach suchen, aber irgend einen Lerneffekt habe ich auf jeden Fall. Arbeit, die man in etwas steckt ist nie umsonst. Manchmal kommt der Erfolg auch zu einem ganz anderen Zeitpunkt und aus einer ganz anderen Richtung, als man geplant hatte. Ich bin sicher, Sie hatten selbst schon solche Erlebnisse.

Macherinnen und Macher haben keine Angst vor Fehlern. Sie kalkulieren oft schon ein, dass es Rückschläge geben wird. Ihr Zugang dazu ist aber produktiv. Sie sehen Rückschläge und Fehler als Erkenntnisquelle.

Tipps, damit auch Sie in die Gänge kommen

Wie bei vielen Verhaltensänderungen, spielt auch hier die Routine eine wichtige Rolle. Ich habe vorhin schon erwähnt, wie die wiederholte Erfahrung des Überwindens, den Übergang zum Tun beschleunigt.

Peter Bregman z.B. beschreibt den Mechanismus am Beispiel der morgendlichen kalten Dusche. Selbst mit solchen Routinen können Sie ihre Übergangsfähigkeit trainieren.

Jeder und jede kann sich diesen Mechanismus zunutze machen. Benutzen Sie dafür am Anfang kleine Projekte oder Aufgaben, die regelmäßig anfallen. Das kann ein sportliches Vorhaben sein; den Wunsch regelmäßig selbst zu kochen; wiederkehrende Aufgaben gleich zu erledigen. Je öfter Sie die Erfahrung des Übergangsmoments mit sich selbst machen, desto mehr Stärke werden Sie daraus ziehen.

  1. Termin: Fixieren Sie einen nahen Zeitpunkt und einen Zeitrahmen zum Anfangen.
  2. Der kleinste Schritt: Überlegen Sie, welcher kleinste Schritt ist nötig, um Ihr Projekt zu starten. Das kann beim Sport sein, die Sportsachen anzuziehen. Das unangenehme Gespräch? Vereinbaren Sie einen Termin. Sie wollen öfter kochen? Besorgen Sie die Zutaten für das heutige Abendessen. Sie wollen ein neues Kapitel schreiben? Öffnen Sie ein neues Dokument, benennen Sie es und schreiben den ersten Satz.
  3. Sofort: Den kleinsten Schritt machen Sie gleich. Jetzt und für diesen Tag haben Sie den Übergang geschafft. Sie werden das noch oft wiederholen, bis Sie sich selbst glauben, dass Sie diese Fähigkeit nun besitzten. Wenn es dann soweit ist, können Sie diese Routine auch auf andere Aufgaben übertragen.
  4. Kein Ablenken: Rücken Sie nicht von Ihrem Zeitrahmen ab, auch wenn Sie Widerstand verspüren. Lenken Sie sich nicht ab und suchen Sie sich keine andere Aufgabe. Damit erlernen Sie eine weitere gute Routine: Dranbleiben auch wenn’s mühsam wird. Der Moment, wo Sie den schwierigen Punkt überwunden haben, wird Ihr Selbstbewußtsein stärken. Freuen Sie sich darüber und rufen Sie sich diesen Moment danach immer wieder vor Augen.

Egal vor welchen Aufgaben sie sich drücken – kleine Tätigkeiten oder große Projekte – je öfter Sie sich selbst zeigen, dass Sie den Übergang drauf haben, desto leichter wird er ihnen gelingen.

Spezielle Tipps für jeden Aufschiebetyp finden Sie hier.

Göran Askeljung

Über den Autor Göran Askeljung

Prof. (op) Göran Askeljung – BcEE, ist Business Trainer bei askeljung.com und Geschäftsführer und Senior Trainer bei immediate effects. Seit 2016 ist Göran Askeljung auch Certified Facilitator und Associate von Consensus in NY, und leitet Consensus Austria und Germany. Als Professor of Practise (op) am Georgian School of Management (GSOM) leitet er das Institut für Sales and Negotiations. Er ist Vorstandsmitglied in der Schwedischen Handelskammer in Österreich und Mitglied des Beirats von Wirtschaftsforum der Führungskräfte (WdF). Göran ist auch als Trainer, Coach und Consultant für Consensus Group (NY, US), The Forum Corporation (UK), eBda (Fr) undNapier Training Associates (UK) tätig. Er ist zertifiziert im Solution Selling® von der SPI University in USA. Seine Arbeit umfasste Tätigkeiten als Trainer und Coach für Produktivität, Verkauf, Vertriebsmanagement, Key-Account Management, Lösungsvertrieb, Verhandlungstaktik, Verhandlungsführung, Rhetorik und Präsentationen. Göran wurde 1967 in Schweden geboren und lebt seit 1990 in Wien. Er spricht fließend Deutsch, Englisch und Schwedisch. Lebenslauf und Werdegang: Oxford Encyclopedia | LinkedIn | XING