Warum Deadlines uns von wichtigen Aufgaben abhalten

Donnerstag 9.00 Uhr. Mein erster Termin steht erst um 17.00 Uhr an. Das heißt, ich kann heute richtig viel erledigen. Unter anderem diesen Artikel schreiben. Weiter steht auf meiner Agenda für heute: einen weiteren Blogartikel schreiben, meine To-Do-Liste auf den neuesten Stand bringen und die kleinen Dinge davon gleich erledigen (2-Minuten-Regel). Prioritäten setzen

Noch eine schnelle Belohnung abholen, bevor….

Nicht vorgenommen hatte ich mir: auf Google-Maps zu schauen, wie viele Kilometer ich in der Früh gejoggt bin; eine Frage in einem Facebook-Forum stellen; Rechnungen schreiben; einen Zahnarzttermin vereinbaren. Gemacht hab ich aber alles davon, weil… Ja, weil bloß? Vermutlich hatte ich einfach mehr Lust dazu. Wider besserem Wissen bin ich einem Phänomen aufgesesssen, das sich unser Gehirn für uns ausgedacht hat: es stellt die kurzfristige Belohnung über den langfristigen Erfolg. Auf Deutsch heißt das Phänomen etwas unelegant “Belohnungsaufschub” und geht auf Walter Mischel zurück. Prioritäten setzen

Neue Studie spricht vom Dringlichkeitseffekt

In einer neuen Studie von Meng Zhu, Yang Yang und Christopher K. Hsee an der Johns Hopkins Universität  wurde noch eine andere Erklärung gefunden. Die Autoren sprechen von einem “Dringlichkeits-Effekt”. Kurz zusammengefasst besagt er: wir nehmen uns lieber Aufgaben vor, die bald erledigt werden müssen, selbst wenn sie nicht wichtig sind. Dafür vernachlässigen wir wirklich wichtige Aufgaben, weil deren Termin noch in weiter Ferne liegt. Prioritäten setzen

Nun, das was ich heute früh erlebt hat, ist eine gute Mischung aus beiden Theorien:

  • Die Laufstrecke abmessen macht mir einfach immer Spaß = Marshmellow.
  • Die Rechnung sollte heute raus, die regelmäßige Kontrolle beim Zahnarzt steht an, die Frage zu meiner Homepage wollte ich schon letzte Woche stellen  = Dringlichkeit.

Nichts von alldem ist aber so wichtig, wie dieser Blogartikel. Nur: ob ich ihn heute oder auch erst nächste Woche veröffentliche, ist unwesentlich. Ich – und zeitgleich mit mir Millionen von Menschen – stelle also den Termin über die Wichtigkeit.

Keine Frage – Termine sind wichtig. Aber ich hätte alle Termin auch eingehalten, wenn ich wie geplant erst den Artikel geschrieben hätte. Danach hätte ich all die Aufgaben auf meiner To-Do-Liste vermerkt und mit der Priorität “Termin” abgearbeitet.

Was hab ich aber stattdessen gemacht? Ich habe diese klitzekleinen Tätigkeiten auch noch dazu benutzt, mich ablenken zu lassen (siehe unten). Genug Asche auf mein Haupt. Denn was ich auch gemacht habe: ich habe mich schnell wieder richtig aufgegleist. (In diesem Augenblick piepst mir die Kopiermaschine zu, dass sie fertig ist. Aber nein, ich werde die Papierstöße jetzt NICHT ausräumen!) Prioritäten setzen

Der Nutzen der kurzfristigen Belohnung

Eine der Erklärungen in der Studie von Meng Zhu bindet auch den Belohnungsaufschub mit ein. Große, wichtige Projekte sind anspruchsvoller und bedürfen mehr Energie, Zeit und Motivation. Kein Wunder, dass wir uns lieber den kleinen Aufgaben zuwenden. Unter einer Bedingung ist das auch in Ordnung. Dann nämlich, wenn wir es bewußt so planen, anstatt impulsgesteuert zu handeln. Denn durch das Gefühl der Belohnung und das Wissen, schon einiges erledigt zu haben, kann man sich auch Motivation für eine wichtige und anspruchsvolle Aufgabe holen. 

Zum amüsanten Abschluß noch ein Video: Der Marshmallow-Test ist einer der bekanntesten Experimente. Er wurde in den 60ern an der Stanford Universität von Walter Mischel entwickelt und diente zum Beweis der Theorie des Belohnungsaufschubs. Auch wenn die Aussagekraft des Tests heute angezweifelt wird (im Gegensatz zur Theorie des Belohnungsaufschubs) – die Videos dazu sind einfach wirklich lustig: Marshmallow-Test und Schokokuss-Test.

Übrigens: bei der Recherche gelangt man schnell zum Schokokuss-Test und damit auch zu den Videos, in denen ein Schokokuss in der Mikorwelle explodiert. Stand definitiv nicht auf meiner Agenda, ich hab mir trotzdem ein paar angesehen. Ich verlinke aber nicht, sonst bringe ich Sie noch in Versuchung 🙂 Prioritäten setzen

Göran Askeljung

Über den Autor Göran Askeljung

Prof. (op) Göran Askeljung – BcEE, ist Business Trainer bei askeljung.com und Geschäftsführer und Senior Trainer bei immediate effects. Seit 2016 ist Göran Askeljung auch Certified Facilitator und Associate von Consensus in NY, und leitet Consensus Austria und Germany. Als Professor of Practise (op) am Georgian School of Management (GSOM) leitet er das Institut für Sales and Negotiations. Er ist Vorstandsmitglied in der Schwedischen Handelskammer in Österreich und Mitglied des Beirats von Wirtschaftsforum der Führungskräfte (WdF). Göran ist auch als Trainer, Coach und Consultant für Consensus Group (NY, US), The Forum Corporation (UK), eBda (Fr) undNapier Training Associates (UK) tätig. Er ist zertifiziert im Solution Selling® von der SPI University in USA. Seine Arbeit umfasste Tätigkeiten als Trainer und Coach für Produktivität, Verkauf, Vertriebsmanagement, Key-Account Management, Lösungsvertrieb, Verhandlungstaktik, Verhandlungsführung, Rhetorik und Präsentationen. Göran wurde 1967 in Schweden geboren und lebt seit 1990 in Wien. Er spricht fließend Deutsch, Englisch und Schwedisch. Lebenslauf und Werdegang: Oxford Encyclopedia | LinkedIn | XING